Renaissance in Brescia: Aufregende Zeit der Umbrüche
Wie sah das Leben in einer der bevölkerungsreichsten Städte Europas im 16. Jahrhundert aus? Welche Themen bewegten die Gemüter? Was dachten die Menschen über Liebe, Natur und Tod? Und was hat die Malerei in Brescia zwischen 1512 und 1552 so besonders gemacht? Antworten auf diese und viele andere spannende Fragen will die aktuelle Ausstellung „Rinascimento a Brescia: Moretto, Romanino, Savoldo 1512-1552“ geben. Diese ist vom 18. Oktober 2024 bis zum 16. Februar 2025 in Brescia im Museum Santa Giulia zu sehen. Neben Leihgaben aus hochrangigen italienischen Sammlungen sind Gemälde aus dem Metropolitan Museum of Art in New York, der National Gallery in Washington, den Getty Museen von Los Angeles, New Orleans und Allentown, aus der National Gallery in London, dem Kunsthistorischen Museum in Wien sowie dem Szépművészeti in Budapest für die Dauer der Ausstellung an ihren Entstehungsort zurückgekehrt.
Mit den Werken wollen die Kuratoren Roberta D’ Adda, Filippo Piazza und Einrico Valseriati ein komplexes Bild jener aufregenden Zeit des Umbruchs vermitteln. Erst der geweitete Blick auf die Epoche macht begreiflich, warum die Malerei damals gerade in Brescia so innovative Sprünge machte, warum von der lombardischen Stadt eine Entwicklung ausging, die auf Meister wie Moroni und Caravaggio abstrahlte und die Tradition der „Realitätsmalerei“ angestoßen hat.
Schicksalsjahr 1512
Lassen wir uns als Ausstellungsbesucher zurückversetzen ins Brescia des beginnenden 16. Jahrhunderts. Die Stadt zählt um 1500 rund 60 000 Einwohner und gehört damit zu den zwanzig bevölkerungsreichsten Städten auf dem europäischen Kontinent. In der Epoche ist Brescia eines der pulsierenden Zentren der damals noch mächtigen Republik Venedig, ein wichtiger Handels- und Produktionsstandort. Doch dann brechen die politischen Stürme der Epoche mit aller Macht über die Stadt herein. Österreich und Frankreich streiten um die Vormachtstellung in Europa und die Herrschaft über Teile des italienischen Stiefels. Im Zuge dieses Konflikts fallen 1512 französische Truppen in Norditalien ein, erobern und plündern mehrere Städte – Brescia ist eine davon. Rund 8000 Männer, Frauen und Kinder verlieren dabei ihr Leben, Tausende fliehen. Häuser, Kirchen und andere Kulturgüter werden in Schutt und Asche gelegt. Nie wieder nach diesen tragischen Ereignissen konnte Brescia die Bedeutung erlangen, die es bis 1512 hatte.
Der Zusammenbruch der alten Ordnung befördert aber auch ein neues kulturelles Klima. Diesem nachzuspüren – das ist das Anliegen der Ausstellungsmacher. Auch wenn es kaum möglich ist, eine 500 Jahre entfernte Vergangenheit vollständig zu verstehen, so bringen künstlerische Zeugnisse uns Heutigen die Gedankenwelt der Menschen von damals nahe. Und dabei wird vor allem eines deutlich. Gesellschaft, Kultur, Religion, Politik – alles ist miteinander verbunden, durchdringt sich, bedingt sich.
Drei unterschiedliche Künstlercharaktere
Die Ausstellung „Renaissance in Brescia: Moretto, Romanino, Savoldo 1512-1552“ vereint drei Künstler, die sich durch ebenso viele Gemeinsamkeiten wie Unterschiede beschreiben lassen. Savoldo (ca. 1480–nach 1548), der älteste dieser Drei, ist ein von Aufklärungsgedanken getriebener Geist und ein Meister einer poetischen Sprache, die sich heute nur mit Mühe in allen Details entschlüsseln lässt. Girolamo da Romano (1484/1487–1560), genannt „Romanino“, der spontane, quirlige, ist ein Künstler, der tiefe menschliche Wahrheiten in große Leinwandszenen umsetzen kann. Alessandro Bonvicino (ca. 1498–1554), genannt „il Moretto“, ist ein außergewöhnlicher Vertreter des lombardischen Naturalismus, der sich auch mit künstlerischen Strömungen anderer Regionen – der Toskana, der Po-Ebene und Venedigs – auseinandersetzt.
Neben den Maler-Persönlichkeiten treten in Brescia in dieser Zeit andere charismatische Intellektuelle auf den Plan – so die Dichterin Veronica Gambara, die Liebesgedichte verfasst, aber in Ihren Versen auch die politische Vision eines von Fremdherrschaft befreiten, geeinten Italiens propagiert. Ein anderer interessanter Zeitgenosse ist der Agronom Agostino Gallo, der in seinen Schriften über die Beziehung des Menschen zur Natur sinniert. Auch derlei Ideen haben in den Werken Morettos, Romaninos und Savaldos Widerhall.
So viel zu entdecken
Passend zur Ausstellung bieten sich in der Stadt und in der Umgebung kleinere und größere Erkundungstouren. Diese laden ein, tiefer einzutauchen in die Gedankenwelt der Renaissance und mehr zu erfahren über Persönlichkeiten, deren Ideen diese Epoche prägten. So entpuppen sich Kirchen wie Santa Giulia in Brescia, Sant’Andrea im Städtchen Iseo am Iseosee oder Santa Maria delle Grazie in Erbusco in der Weingegend Franciacorta als Schatzkammern, die mit Architektur und Malerei etwas vom Zeitgeist der Renaissance konservieren. Das Museo Santa Giulia und der archäologische Park des antiken Brixia mit dem Kapitolinischen Tempel aus Römer-Zeit sind Brescias Schatzkammern, gehören zum UNESCO-Welterbe und sind jederzeit einen Besuch wert.
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